Schießsport bei den Olympischen Spielen

Die erste Medaille bei den Olympischen Sommerspielen 2020, die coronabedingt mit einem Jahr Verspätung in Tokio stattfinden, wird im Schießen vergeben: Am 24. Juli 2021 findet der erste Wettbewerb der Frauen in der Disziplin „Luftgewehr, 10 m“ statt.

Der Schießsport ist seit den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit im Jahr 1896 olympisch. Nur zweimal – 1904 in St. Louis und 1928 in Amsterdam – wurden keine Schießwettbewerbe ausgetragen. Zunächst war das olympische Schießen Männersache. Erst seit den Spielen 1984 in Los Angeles finden auch reine Frauenwettbewerbe statt, obwohl Frauen bereits seit 1968 die Möglichkeit hatten, im allgemeinen Starterfeld anzutreten. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Schießsports bei den Olympischen Spielen.

Die Anfänge

Das Schießen gehört ebenso zu den Olympischen Spielen wie die Leichtathletikdisziplinen. Bei jenen ersten Olympischen Spielen fielen insgesamt 43 Entscheidungen – unter anderem im Schießen.

Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit fanden 1896 mit 280 (männlichen) Athleten aus dreizehn Ländern in Athen statt. An den Schießwettbewerben nahmen damals nur sieben Länder – Dänemark, Griechenland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Schweiz und die Vereinigten Staaten – mit insgesamt 61 Athleten teil. Während es 1896 fünf Schießwettbewerbe bei den Olympischen Spielen gab, waren es 1932 nur noch zwei. Die ersten Wettbewerbe wurden 1896 in den folgenden Disziplinen ausgetragen:

  1. Freies Gewehr, 300 m
  2. Freies Gewehr, 200 m
  3. Armeerevolver, 25 m
  4. Schnellfeuerpistole, 50 m
  5. Freie Pistole, 30 m

Die ersten Plätze machten nur drei Länder unter sich aus: Griechenland, Dänemark und die Vereinigten Staaten.

Die Schießwettbewerbe fanden auf einem speziell dafür gebauten Schießstand in Kallithea statt. Einer der Athleten, der erste Olympiasieger John Paine aus den Vereinigten Staaten, beschrieb die Anlage als „schönsten Schießstand der Welt: 60 Meter lang und ganz aus schneeweißem Marmor gebaut“. Die verwendeten Zielscheiben waren schwarz mit mittig aufgemalten weißen Kreisen. Paine zufolge bewirkten das intensive Weiß des Gebäudes und das helle Licht der Anlage eine optische Illusion, durch die die Scheiben zu rotieren schienen.

Mit einem Schuss aus einem Gewehr eröffnete die Königin von Griechenland am 8. April 1896 die Schießwettbewerbe der modernen Olympischen Spiele.

Das Wertungssystem bei diesen ersten Wettbewerben war komplex. Der Wettbewerb im Gewehrschießen bestand aus vier Durchläufen von je zehn Schuss, beim Pistolenschießen waren es fünf Durchläufe mit je sechs Schuss. Die Gesamtpunktzahl jedes Durchgangs wurde dann durch Multiplikation der Treffer des Durchgangs mit der Punktzahl für die in diesem Durchgang abgegebenen Schüsse berechnet.

Olympischer Schießsport heute

Der Schießsport hat mittlerweile die dritthöchste Teilnehmerzahl aller olympischen Disziplinen. Von 1996 bis 2012 zogen die Schießwettbewerbe jedes Jahr Teilnehmer aus über 100 Ländern an. Nachdem 1932 nur zwei Wettbewerbe ausgetragen worden waren, waren es 2000 und 2004 jeweils 15. Die olympischen Schießwettbewerbe wurden häufig als „Männerwettkämpfe“ bezeichnet, standen jedoch zwischen 1968 und 1980 auch Frauen offen. Allerdings machten nur wenige davon Gebrauch: Bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau traten zum Beispiel nur fünf Frauen in den Schießwettbewerben an. Bei den nächsten Sommerspielen, die 1984 in Los Angeles stattfanden, gab es dann die ersten reinen Frauenwettbewerbe. In diesem Jahr nahmen 77 Schützinnen an den Wettkämpfen teil. 2021 wird es zum ersten Mal die Kategorien „Männer“, „Frauen“ und „Mixed“ geben.

Beim modernen olympischen Schießen kommen drei Arten von Waffen zum Einsatz:

Gewehr: Einzellader mit Kaliber 5,6 mm; wird in allen Disziplinen verwendet.

Pistole: Bei der Disziplin „Luftpistole, 10 m“ wird eine Einzelladerpistole mit 4,5 mm Kaliber verwendet, während für die Wettbewerbe über 25 Meter eine Schnellfeuerpistole des Kalibers 5,6 mit einem 5-Schuss-Magazin zum Einsatz kommt.

Schrotflinte: Kaliber 12.

Aktuell gibt es 15 verschiedene Schießwettbewerbe:

MÄNNER:

  • Luftpistole, 10 m
  • Luftgewehr, 10 m
  • Schnellfeuerpistole, 25 m
  • Gewehr, Dreistellungskampf 50 m
  • Skeet
  • Trap

FRAUEN:

  • Luftpistole, 10 m
  • Luftgewehr, 10 m
  • Sportpistole, 25 m
  • Gewehr, Dreistellungskampf 50 m
  • Skeet
  • Trap

MIXED-WETTBEWERBE:

  • Luftgewehr, 10 m
  • Luftpistole, 10 m
  • Trap

Olympische Legenden

Die US-Amerikanerin Kimberly Rhode gehört zu den erfolgreichsten olympischen Schützen der Geschichte. Sie ist das Gesicht des modernen olympischen Schießsports. Zwischen 1996 und 2016 gewann sie bei sechs Olympischen Spielen in Folge Medaillen. Dieses Kunststück hatte bei den Olympischen Sommerspielen zuvor kein anderer Athlet geschafft, weder bei den Frauen noch bei den Männern. Vergleichbares ist nur dem italienischen Rodler Armin Zöggeler bei den Olympischen Winterspielen gelungen.

Rhode ist bislang die einzige olympische Schützin mit drei Goldmedaillen und die einzige Olympionikin, die zwei Goldmedaillen im Doppeltrap erringen konnte. Als Rhode 1996 im Alter von nur siebzehn Jahren ihre erste Goldmedaille gewann, war sie die jüngste Olympiasiegerin im Schießsport aller Zeiten. Bei den Spielen 2012 stellte sie einen Weltrekord auf: Beim Skeet traf sie 99 von 100 Wurfscheiben.

Die mittlerweile 41-jährige Rhode vertritt die Meinung, dass gerade beim Schießen eine lange sportliche Karriere möglich ist. Damit scheint sie recht zu haben: Der älteste Medaillengewinner in der Geschichte der Olympischen Spiele war ein Schütze namens Oscar Swahn, der 1920 im Alter von 72 Jahren Silber gewann. Rhode hat bereits angekündigt, dass sie auch dieses Mal wieder antreten wird, um zum siebten Mal in Folge eine olympische Medaille mit nach Hause zu nehmen.